Montag, Oktober 29, 2007

Der Scherenschnitt

Le Nozze di Figaro ist nicht nur eine der beliebtesten sondern auch vielschichtigsten Opern Mozarts. Vordergründig eine klassische opera buffa, enthält sie gleichzeitig für die damalige Zeit brisanten politischen Sprengstoff, wird doch die "natürliche" Vormachtstellung des Adels in Frage gestellt und lächerlich gemacht. Eine Herausforderung für Regisseure, diesen Subtext in der Inszenierung adäquat umzusetzen.
Das Bühnenbild der aktuellen Kölner Aufführung wird beherrscht von einer überdimensionalen Schere, die nicht unbedingt sofort als solche zu identifizieren und deren Bedeutung nicht unbedingt klar ist. Natürlich gehört sie zum Handwerkszeug des titelgebenden Figaro (der seinen eigentlichen Beruf aber schon im Barbier von Sevilla zugunsten einer Stellung als Kammerdiener beim Grafen Almaviva an den Nagel gehängt hat), aber die Symbolik soll doch wohl tiefer gehen? Hier half ein Blick in das Programmheft: alte Zöpfe werden im Stück abgeschnitten, aber nicht nur die - kurz nach der Uraufführung des Figaro 1786 rollten in Paris auch Köpfe. Dies wurde verdeutlicht durch einen "stummen" Figaro-Doppelgänger, der zwischendurch immer wieder drohend auftauchte und in der Schlusszene mit einem abgeschlagenen Kopf in der Hand erschien - wird zumindest hier behauptet, sehen konnte man das vom II. Rang aus leider nicht…
Andere inszenatorische Einfälle waren leichter zu interpretieren und nicht uninteressant. So wird der 1. Akt in bunten Rokoko-Kostümen gespielt, während die folgenden Akte in moderner Kleidung gezeigt werden und damit die Zeitlosigkeit des Stückes demonstrieren. Auch dass der Raum, der Figaro und Susanna im Schloss als Ehegemach zugewiesen wird, ursprünglich ein Kinderzimmer war und während der Ouvertüre leergeräumt wird, wirft ein interessantes neues Licht auf die Gründe für die Abkühlung der gräflichen Ehe. Und dass die Gräfin vom Pagen Cherubino nicht nur angehimmelt wird, sondern tatsächlich etwas mit ihm hat, ist keine reine Interpretation, sondern ein Vorgriff auf die Ereignisse, die im letzten Teil der Trilogie Beaumarchais' geschildert werden.
Lässt sich über die Regieeinfälle der Inszenierung streiten, so gibt es an der musikalischen Qualität nichts zu mäkeln: ein glänzendes Gürzenich-Orchester, dass vor allem mit tollen Holzbläsern überzeugte, eine strahlende und auch darstellerisch überzeugende Claudia Rohrbach als Susanna, ein nicht weniger beeindruckender Leandor Fischetti als Figaro und eine makellose Besetzung in den übrigen Rollen - alles in allem ein Figaro, der inszenatorisch nicht immer, musikalisch aber vollständig begeistern konnte!

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